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Laos: Nuis sagenhafter Saftladen

Nui Sinjar Vongnorkeo vor ihrem Früchtetisch in Vientiane
Nui Sinjar Vongnorkeo vor ihrem Früchtetisch in Vientiane


Kennst du das Land, wo die Papayas blühen? Und dazu noch Mangos und Ananas, Drachen- und Jackfrucht und und und. Laos ist so ein Land, ein Paradies für Früchte und für Fruchtliebhaber.  „Dahin! Dahin“, würde Goethe womöglich heute raten, und ziemlich sicher würde er damit jenes kleine Lokal in der Hauptstadt Vientiane meinen, in dem sich die ganze Ernte aus dem Garten Eden sammelt. „House of Fruit Shakes“ steht über der gläsernen Eingangstür, und drinnen steht die Besitzerin Nui und sagt mit größter Glaubwürdigkeit: „Früchte sind meine Leidenschaft. Ich liebe sie.“


Wer die Leidenschaft zum Beruf macht, wird meist glücklich, und im besten Fall kann er oder sie auch andere glücklich machen. Nui Sinjar Vongnorkeo schafft das spielend und mixend. Sie liebt Früchte, und die Kundschaft liebt alles, was sie daraus macht: die Fruchtsäfte, die Smoothies und den Obstsalat. In Gläsern, auf Tellern und in Bowls.  Mit Joghurt, Müsli oder Erdnussbutter.


Vor fast einem Vierteljahrhundert hat sie ihren sagenhaften Saftladen eröffnet. 2002, um genau zu sein, und noch genauer: am 1. Juni. Dieses Datum steht in Laos als „Kindertag“ im offiziellen Kalender. „Ich habe diesen Tag für die Eröffnung gewählt, weil der Laden mein zweites Kind ist“, erklärt Nui.


Das erste Kind ist ein Sohn, der damals drei Jahre alt war. Sie hat ihn allein groß gezogen, und im Laden ging das leichter, denn sie wohnt ja gleich hinten dran. Den alten Bürojob war sie ohnehin leid. „Ich habe mich dort nicht gesund gefühlt“, sagt sie. Also hat sie umgesattelt auf Gesundes, auf die Früchte, denn gesünder geht es kaum. Zumal, wenn es sich um Tropenfrüchte handelt.


Gleich neben der Ladentür sind sie aufgehäuft wie auf einem farbenfrohen Gabentisch: die Mangos, süß und sonnengelb, voll mit Vitamin A und Beta-Carotin. Oder die Drachenfrucht, Exotik pur, dazu noch reich an Antioxidantien. Die Ananas ist bekannt für ein Enzym, das Entzündungen hemmt. Die Avocado versorgt den Organismus mit gesättigten Fettsäuren. Und Guave, Kiwi oder Granatapfel sind dank Vitamin C wahre Immunbooster.


Ihre Liebe zu den Früchten kommt bei Nui schon aus Kindertagen. Ihr Onkel, so erzählt sie, habe sie dazu gebracht. Der war Minister für Landwirtschaft in der laotischen Regierung, vor allem aber hatte er außerhalb der Stadt einen großen Obstgarten. „Da war ich jedes Wochenende“, sagt Nui. „Er hat mir alle Früchte gezeigt und erklärt, wann sie reif sind.“ Beim allmorgendlichen Einkauf auf dem Markt macht sie sich das noch heute zunutze. „Jede einzelne Frucht suche ich selbst aus“, erklärt sie. „Wenn ich sie berühre, weiß ich, ob sie gut ist.“


Was sie früh morgens auf dem Markt ergattert und mit dem Motorroller heim bringt, drappiert sie kunstvoll auf dem Tisch neben dem Eingang, und wenn es gut läuft, ist er abends leer. „Mango brauche ich immer“, sagt sie, „das ist der Kundenfavorit.“ Ihre eigene Lieblingsfrucht ist die Banane, nicht zuletzt wegen deren Vielseitigkeit. Roh kann man sie essen oder frittiert. Ausgezeichnet - und vielleicht sogar noch besser als zum Beispiel Hühnerfüße oder Schweinebauch - passt die Banane auch zum sticky rice, der in Laos zu jeder Mahlzeit gehört und als Kulturgut gilt.


Schnell ins Schwärmen kommt Nui aber auch bei anderen Früchten - bei den Mangostan, die wirklich keine Mangos sind und nicht mal einen Kern enthalten, oder auch beim Ramutan, den sie, der stacheligen roten Schale wegen, als „haarige Litschi“ anpreist. Nur eine Frucht kommt ihr nicht in den Laden: Durian! Kenner loben zwar den vanillig-süßen Geschmack. Aber nicht umsonst ist sie auch als Stink-oder Kotzfrucht bekannt. „Der Geruch killt alles“, sagt Nui.


Aus den guten Früchten holt sie das Beste heraus. In die Smoothis kommt kein Zucker, dafür 90 Prozent Frucht plus Eis. Jeden einzelnen Teller Obstsalat schneidet sie frisch auf. „Das bin ich meinen Gästen schuldig, aber ich esse das ja auch selbst“, sagt sie und strahlt. Die Kunden kommen zum Dank immer wieder, selbst Laufkundschaft wie die Touristen. „Da tauchen manche nach ein paar Jahren wieder auf und schauen nach, ob es Nui noch gibt“, erzählt sie.


So ist ihr kleines Lokal mit den lindgrünen Wänden und der aufgemalten Speisekarte zu einem Treffpunkt geworden, wo Reisende aus aller Welt auf Studenten aus Vientiane oder auf Nuis Nachbarn treffen. Irgendeiner sitzt immer an einem der Holztische mit den bunten Decken. Die Luft riecht süß nach frischen Früchten, leise Jazzmusik kommt aus den Boxen. Alles verführt zum Träumen und Genießen - bis Nui dann den Mixer anwirft und alles übertönt. Aber das ist okay, es ist für einen guten Zweck.


Vientiane, September 2025

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